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Blockchain macht Intermediäre überflüssig
Tokenisierung revolutioniert die Anlagemärkte
Die Blockchain-Technologie sorgt immer wieder für beträchtliche Überraschungen. Doch die eigentliche Revolution spielt sich ganz im Stillen ab. Und betrifft so ziemlich alles, was mit Finanzgeschäften zu tun hat.
Eine «digitale Demokratisierung» der Anlageformen und -klassen.
Wird ein Werk für USD 64 Millionen versteigert, ist das in der Kunstwelt keine allzu grosse Überraschung mehr. Wenn es sich aber hierbei um ein rein digitales Werk handelt, eine Collage aus 5’000 zusammengeklickten Bildern, sorgt das auch in der internationalen Sammlerszene für hochgezogene Augenbrauen.
Zumal das Werk «The First 5000 Days» des Künstlers Mike Winkelmann alias Beeple mit einem neuartigen Wertzeichen versehen ist, einem sogenannten Token. Um genau zu sein, einem Non-Fungible Token (NFT), welcher aus der Bilderflut ein «nicht ersetzbares» digital geschütztes Objekt macht.
NFT: Ein Non-Fungible Token ist eine eindeutige, nicht austauschbare kryptografische Einheit. Ein physisches Pendant dazu wäre beispielsweise «Das Mädchen mit dem Perlenohrring» von Vermeer. Vollkommen «fungible» ist dagegen ein Geldschein wie eine 1-Dollar-Note – jede ist so gut wie die andere.
Diese NFTs machen aus kopierbarer Digitalkunst ein eindeutig identifizierbares und damit handelbares Einzelstück. Die Eigenheit, ein Objekt mit einem Stempel zu versehen, der nicht kopiert, gehackt oder zerstört werden kann, dürfte der eigentliche Grund sein, weshalb die Beeple-Auktion bei Christie’s für so viel Aufsehen sorgte.
Kaum Grenzen für die NFTs
Was lässt sich sonst mit NFTs kommerzialisieren? Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt: Bisher wurden Songs, der Quellcode des World Wide Web, verpixelte Köpfe und vieles mehr verkauft. Daraus ist längst ein branchenübergreifender Trend geworden, der unter dem Schlagwort der Tokenisierung zusammengefasst wird. Das Konzept lässt sich in vielen Bereichen anwenden – und wird auch die Finanzwelt betreffen.
Dort haben Fintechs zwar gerade begonnen, die etablierten Institute in Nischen wie dem Zahlungsverkehr herauszufordern. Doch das disruptive Potenzial der Digitalisierung haben die Banken und Versicherungen noch nicht mit der ganzen Wucht zu spüren bekommen – wie zuvor der Detailhandel oder die Medienindustrie.
Keine Intermediäre mehr nötig
Die Tokenisierung könnte nun auch hier für Veränderung sorgen. Das Prinzip funktioniert so: Reale Vermögenswerte werden in kleinere virtuelle Einheiten umgewandelt und die daran gekoppelten Eigentumsrechte über die Blockchain gehandelt. Ein Token selbst hat keinen inneren Wert, sondern ist an den Preis des zugrunde liegenden Objekts gebunden.
Theoretisch lassen sich alle möglichen Vermögenswerte abbilden. Neben Kunst können das auch Autos, Immobilien oder immaterielle Güter wie Lizenzgebühren sein, aber natürlich auch Aktien, Optionen oder Anleihen. In der Welt der Tokenisierung werden diese digital erfassten Werte als Krypto-Assets bezeichnet.
Im Gegensatz zum traditionellen Finanzsystem werden für die Tokenisierung keine Intermediäre benötigt, da die Transaktionen ausschliesslich über die Blockchain und damit über offene Softwareprotokolle und dezentralisierte Strukturen ablaufen. Und genau darin liegt der eigentliche disruptive Kern der Technologie. Auf ihr lässt sich ein dezentrales Finanzsystem (DeFi) aufbauen, das wunderbar ohne Intermediäre auskommt. Das DeFi könnte die Kraft entfalten, die heutigen Finanzarchitekturen niederzureissen. Banken, Versicherungen oder Börsen könnten überflüssig werden, da deren bisherige Funktionalitäten in einer Blockchain-Struktur abgebildet werden können.
Neue Perspektiven für Anlegerinnen?
Für Anlegerinnen und Investorinnen bieten sich neue Perspektiven: Die Tokenisierung erlaubt es ihnen auch, in einen Bruchteil eines Vermögenswertes zu investieren und Portfolios mit Assetklassen zu erweitern, die zuvor ausserhalb ihrer Reichweite lagen. Die Tokenisierung ermöglicht Anlegerinnen so, Anteile an Segeljachten oder Mehrfamilienhäusern zu halten. In diesem Zusammenhang wird gerne von einer «digitalen Demokratisierung» der Anlageformen und Anlageklassen gesprochen, die bislang nur eine eingeschränkte Liquidität aufwiesen oder hohe Mindestanlagesummen forderten. Die Geschäftsmodelle klassischer Vermögensverwalter und spezialisierter Investmentbanken könnten unter Druck geraten.
Noch ist es ein weiter Weg, bis ein dezentrales Finanzsystem Realität wird. Regulatorische Vorschriften verlangen zum Teil weiterhin, dass Krypto-Assets über Intermediäre wie Banken gehandelt werden (Stichwort: Geldwäscherei). Die Technologie ist noch jung, doch wenn sie reifer wird, könnte sie eine immense Kraft entfalten.