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«Man traut uns in Davos nicht zu, dass wir in Sachen Klima schon so weit sind, wie wir sind.»

Reto Branschi, CEO der Destination Davos Klosters, im Interview mit Globalance zum nachhaltigen Wandel im Tourismus.

Tourismus ist auf die Natur besonders angewiesen und gleichzeitig stellt der Klimawandel eine Gefahr für das Geschäftsmodell von Tourismusdestinationen dar. Wie schätzen Sie die Situation in der Schweiz heute ein?
Wir merken, dass das Thema unseren Gästen immer wichtiger wird. Sie möchten wissen, ob und wie wir uns engagieren. Auch das Konsumverhalten hat sich geändert: Lokale Produkte sind heute eher angesagt als Kaviar.
Wir haben uns deshalb schon früh die Frage gestellt, was das für die Zukunft bedeutet. Machen wir einfach weiter wie gehabt, bis die Politik etwas tut, oder greifen wir selbst ein? Das hat für uns zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema geführt. Als Bergdestination, die auf Schnee angewiesen ist, sind wir natürlich auch direkt betroffen.
Ähnliches sehe ich auch bei anderen Feriendestinationen. Nachhaltigkeit wird immer wichtiger, natürlich auch wegen Schweiz Tourismus und deren neuen Labels Swisstainble. Die grossen Player in der Branche haben das Thema schon lange auf dem Radar.

Wie stellen Sie sicher, dass Davos Klosters auch in Zukunft eine der bedeutendsten Tourismusdestinationen der Alpen bleibt?
Zusätzlich zu den bereits eben genannten Punkten kann ich ergänzen: Unser grösstes Kapital ist die Natur. Der zweite grosse Vorteil ist unsere Vielfältigkeit. Mit unserem Gesamtangebot von Gesundheitstourismus über Kultur und Kongresse bis zu einem enorm breit gefächerten Sportangebot decken wir viele Bedürfnisse ab.
Weil wir ausserdem auch Wissensstadt mit wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung sind, erhalten wir früh und aus erster Hand viele Informationen, auf die wir sehr rasch reagieren können müssen.

Es gibt verschiedene Massnahmen, um als Tourismusgebiet nachhaltiger zu werden. Das können bauliche Veränderungen sein, wie beispielsweise bei Bergbahnen den Strom aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Andererseits können auch Anreize geschaffen werden, z. B. gute Angebote des öffentlichen Verkehrs. Welche Massnahmen ergreift die Destination Davos Klosters?
Als Tourismusorganisation war uns früh klar, dass wir etwas tun mussten, aber die Hotels gehören nicht uns. Wir hätten zu den Eigentümern gehen und sagen können, man müsse etwas machen, aber es ist immer einfach zu sagen, dass «man» muss. Deshalb haben wir zuerst unsere eigene Tourismusorganisation mit immerhin über 100 Mitarbeitenden, Personalhäusern, unserem Grundstück und dem Kongresszentrum CO₂-neutral gemacht. Damit war die Basis gelegt, dass wir gegen aussen glaubwürdig kommunizieren konnten: «Macht doch mit.»
Der öffentliche Verkehr wurde massiv ausgebaut und ist seit über 20 Jahren für Gäste kostenlos. Die Bergbahnen beschäftigen sich schon lange intensiv mit dem Thema und investieren in den nächsten Jahren weitere 10 Millionen in autarke Energiesysteme. Gestern hat das Parlament bestätigt, dass auch die Gemeinde beim «myclimate Klimafonds Davos» mitmacht. Und dieses Bekenntnis – das ist eigentlich überall vorhanden. Das sind keine Pseudomassnahmen, es wird wirklich etwas gemacht. Das Phänomen ist: Man traut uns in Davos nicht zu, dass wir in Sachen Klima schon so weit sind, wie wir sind.

Davos hat angekündigt, bis 2030 klimaneutral sein zu wollen. Dazu nutzen Sie den «myclimate Klimafonds Davos». Was bedeutet das genau und welche Wirkung hat die Ansage auf die nächsten Jahre?
Ich war immer ein Verfechter davon, dass man die Leute überzeugen muss, statt sie zu zwingen. Mit myclimate «Cause We Care» wurde genau das geschaffen. Gäste bezahlen freiwillig einen Franken, der Betrieb verdoppelt diesen Franken. Ein Teil des Geldes geht an den «myclimate Klimafonds Davos», der Hauptteil an den Betrieb selbst für seine eigenen Nachhaltigkeitsmassnahmen.
Mit dem Fonds möchten wir allen Betrieben in Davos eine kostenlose Berechnung ihres Fussabdrucks und Vorschläge für Massnahmen ermöglichen. Ausserdem bietet der Fonds Unterstützung, wenn ein Betrieb bei der Umsetzung einer Massnahme Hilfe benötigt. Wir wollen den Betrieben die eigene Fantasie lassen. Solange das Projekt nachhaltig ist, helfen wir, so gut wir können.
Es ist uns natürlich klar, dass 2030 ein extrem ambitioniertes Ziel ist. Aber seien wir ehrlich: Wenn wir 2050 festgelegt hätten, wäre bis 2040 überhaupt nichts passiert. Deshalb habe ich von Anfang an gesagt: Runter, rigoros, damit jeder erschrickt und zu denken beginnt! Am Anfang war noch häufig die Rede davon, dass das nur Show und Marketing sei, aber jetzt hat sich das Blatt gewendet. Jetzt spüren wir, wie das Umdenken stattfindet.

Es ist uns natürlich klar, dass 2030 ein extrem ambitioniertes Ziel ist. Aber seien wir ehrlich: Wenn wir 2050 festgelegt hätten, wäre bis 2040 überhaupt nichts passiert.

Wir möchten gerne mit Ihnen in die Zukunft schauen. Wie stellen Sie sich den Wintertourismus in der Schweiz in 50 Jahren vor?
Eigentlich bin ich sehr optimistisch. Ich bin davon überzeugt, dass die Schweiz als Ganzes, nicht nur unsere Destination, das Thema ernst nimmt. Ich stelle mir vor, dass die Alpen immer noch so geliebt werden wie heute. Und auch die Messungen des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung sagen, dass es in den höhergelegenen Skigebieten weiterhin Schnee und Wintersport geben wird.


Reto Branschi

Reto Branschi ist seit 2007 CEO der Destination Davos Klosters. In seiner langjährigen Tätigkeit als CFO, IT-Verantwortlicher und Vizedirektor von Davos Tourismus war er an der Mitentwicklung der preisgekrönten Plattform davos.ch und vieler wegweisender Systeme beteiligt. In seiner Freizeit ist er gerne auf den Ski, dem Rennvelo und dem Mountainbike unterwegs.