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Technik mit Empathie
Christina Kehl, Fintech-Unternehmerin und Geschäftsführerin «Swiss Finance Startups», über die Arbeitswelt von morgen.
Die Welt verändert sich schnell und fundamental. Was bedeutet das für die Arbeitswelt?
Die Arbeitswelt adaptiert sich notwendigerweise an die Bedürfnisse der Wirtschaft. Es entstehen rasant neue Jobprofile, Berufsbilder und ganze Branchen, die die technologischen und digitalen Kundenbedürfnisse zu bewirtschaften wissen. Dem globalen Wettbewerb und Kostendruck ausgesetzt, hält allerdings auch die Automatisierung vermehrt Einzug in die traditionelle Arbeitswelt. Menschliche Arbeit wird zur Effizienz und wirtschaftlichen Wertsteigerung durch Algorithmen und Robotisierung ersetzt, was bei vielen Arbeitnehmern Zukunftsängste auslöst.
Was kann die Gesellschaft tun, um diese Zukunftsängste abzubauen und den Wandel in eine digitale Welt zu meistern?
Zahlreiche Studien belegen, dass der technologische Wandel die Arbeitswelt grundlegend verändert. Dadurch entstehen aber mindestens ebenso viele Arbeitsplätze in neuen, zukunftsfähigen Aufgabengebieten. Die grosse Herausforderung ist nun, diesen «Shift» bzw. das «Reskilling» als Gesellschaft zu meistern. Hierfür braucht es sehr viel mehr Flexibilität und Agilität in Schule, Studium und Weiterbildung − sowohl mit Blick auf Ausbildungsthemen, -ziele und -strukturen wie auch in Sachen Mindset, Unternehmergeist und Risikofreude.
„Es braucht zukünftig sehr viel mehr Flexibilität und Agilität in Schule, Studium und Weiterbildung.“
Welche Fähigkeiten werden denn zukünftig gesucht und welche weniger?
Im Grundsatz lässt sich sagen, dass der technologische Wandel alle Tätigkeiten wirtschaftlich abwertet, die repetitiv und automatisierbar sind. Jede Aufgabe, die sich mit Hilfe eines Algorithmus ausführen lässt, wird in Zukunft ohne menschliches Zutun bewältigt werden. Dies betrifft gemäss Studien Arbeitsbereiche quer durch alle Qualifikationsstufen: von der Migros-Kassenkraft bis hin zum Juristen, Arzt oder Buchhalter. Hingegen gewinnen Tätigkeitsbereiche an Bedeutung, die sich mit Kreativität, Innovation, Resonanz, Menschlichkeit und Technologien befassen.
Welche Jobs bringt die Digitalisierung in den nächsten zehn Jahren hervor?
Die Berufsbezeichnungen der Zukunft könnten u. a. lauten: Chief Trust Officer, Augmented Reality Journey Builder, Personal Memory Curator, Personal Data Broker. Unbestritten ist, dass Technologien einen grossen Einfluss auf die Jobs der Zukunft haben werden. Wir leben und arbeiten vermehrt in einer «Technosphere» − einer digitalen Ebene, die unsere analoge Welt überlagert. Viele der zu schaffenden Tätigkeiten werden in der digitalen Ebene beheimatet und damit technologiegetrieben sein. Es gilt, die «Technosphere» aber auch sozialpolitisch zu regulieren, um die Errungenschaften der analogen (Arbeits-)Welt als Gesellschaft beizubehalten.
Sind bestimmte Industrien besonders von dem Wandel betroffen?
In einer globalisierten Welt ist jedes Land, jede Region und jede Industrie sehr ähnlich von dem exponentiellen Wachstum der technologischen Transformation im positiven wie negativen Sinn betroffen. Aufgrund der globalen Vernetzung war es noch nie so einfach, ein Unternehmen zu gründen, Milliarden von Kunden anzusprechen und sich und seine unternehmerischen Ideen zu verwirklichen. Der technologische Wandel macht oft Angst ob der Geschwindigkeit und Intensität, andererseits ist ihm auch eine riesige Chance immanent, die Welt dank der Technologien besser, nachhaltiger, fairer und gerechter zu machen. Technologie ist in diesem Sinne agnostisch: Es liegt an uns, was wir daraus machen.
Christina Kehl
ist eine der führenden Unternehmerinnen der Schweiz im Digitalbereich und Vordenkerin der digitalen Transformation.
Sie ist Mitgründerin und Partnerin bei Pixpolitico − einer digitalen Strategieberatung für Institutionen in Zürich. Zudem ist sie Vorstandsmitglied und Geschäftsführerin von Swiss Finance Startups, dem von ihr mitgegründeten Verband für Fintech-Start-ups in der Schweiz, sowie jüngstes Mitglied im Beirat für Digitale Transformation des Schweizer Bundesrates von WBF und UVEK.