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Veränderung braucht Anpassung
Neuem mit Neuem begegnen
Die aus der Evolutionstheorie bekannte Aussage «Die Stärksten überstehen herausfordernde Zeiten» unterliegt nicht selten einem Trugschluss. Charles Darwin sah vielmehr die Anpassungsfähigsten klar im Vorteil – das zeigte uns auch diese Pandemie. Satya Nadella (CEO von Microsoft) ist sicher, dass «wir zwei Jahre digitale Transformation innerhalb von nur zwei Monaten erlebt haben» – Anpassung im Zeitraffer.
Die Schwachstellen der Volkswirtschaften wurden in den letzten Monaten offengelegt und könnten nun gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Transformationsprozesse in Gang setzen. Der Resilienzforscher Florian Roth vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI Karlsruhe ist überzeugt, dass Organisationen und Gesellschaften kritische Situationen nur meistern können, indem sie an Widrigkeiten nicht nur abprallen und in den ursprünglichen Zustand zurückfallen, sondern vielmehr die Dynamik nutzen und den Sprung nach vorn wagen – «Bounce Forward».
Globale Arbeitsteilung light
Die Pandemie präsentierte uns zu Beginn die fragile Seite der globalen Lieferketten. Es mangelte unter anderem an Desinfektionsmittel und medizinischer Schutzausrüstung. Kurzerhand sprangen hiesige Unternehmen in die Bresche – so produzierten bspw. der Seifenhersteller Soeder und die Gin-Brüder Deux Frères den hygienischen Alkohol.
Sind wir zu abhängig von den globalen Lieferketten und haben europäische Hersteller zu sehr auf die Kostenvorteile geschaut? Lebensnotwendige Güter sollten in hinreichenden Ausmassen in Europa produziert werden können – zu verletzlich würden wir uns in Krisenzeiten machen. Doch allein aus China kommen 30 Prozent der importierten Grundstoffe für Arzneien.
Auch die politischen Risiken ähneln aktuell einer Lotterie. Was tun, wenn sich die USA oder China plötzlich unkooperativ verhalten? Eine veränderte Risikobewertung bewegt bspw. Österreich zur Modernisierung eines Arzneimittelwerks in Tirol, in welches auch der Pharmakonzern Novartis EUR 150 Mio. investiert. Vom Wirkstoff bis zur Tablette die einzige Antibiotika- Produktionsstätte der westlichen Welt. Fehlende Transparenz in immer länger werdenden Lieferketten birgt eine höhere Gefahr an Unterbrechungen, welche sich der breiten Gesellschaft erst in jüngster Vergangenheit offenbarte.
Die Arbeitswelt wird auch hier ihr Kleid wechseln, denn die zunehmende Automatisierung spielt westlichen Unternehmen in die Hand – weniger Arbeit in anderen Ländern, mehr Maschinen in Europa. Zwar finden heute noch 12 Prozent der weltweiten Wertschöpfung in globalen Lieferketten statt, doch während Kosten für Arbeitskräfte auch in China steigen, ermöglichen die modernen Technologien günstigeres «Made in Europe». Die komplette Wertschöpfung kommt nicht zurück, aber wir erkennen eine optimistische Startfreigabe für die partielle Rückverlagerung – unabhängig dank neuer Arbeitswelt.
Mehr Open Flair
Die Welt wird intelligenter – noch nie war der Bildungsstand so hoch. Konnektivität ermöglicht uns eine Vielfalt an Wissensgenerierung. Die Gedanken sind frei – und Wissen eben auch. Das sehen die TUMO-Bildungszentren für junge Menschen zwischen 12 und 18 Jahren genauso und bieten aus diesem Grund kostenfreies Lernen zu etlichen Zukunftsthemen an. Ursprünglich in Armenien gegründet, sind inzwischen weitere Einrichtungen in Paris, Berlin, Beirut und Moskau entstanden. Alle verfolgen mit innovativen Lernkonzepten und in hochmodern ausgestatteten Zentren dasselbe Ziel – Vermittlung zukunftsorientierter Skills mittels neuester digitaler Technologien. So können nach der Schule die Fähigkeiten in Robotik, Programmierung, 3-D-Modellierung und weiteren Bereichen geschärft werden.
Schöner Nebeneffekt: Mädchen setzen sich mit technischen Themen auseinander und Jungen probieren sich in kreativen Tätigkeiten wie Grafikdesign, sodass alte Genderstereotype aufgebrochen werden und sich eine bunt durchmischte Arbeitswelt entwickeln kann. Ein wirkungsvolles Projekt, das auch als Wegweiser für modernere Schulsysteme dienen kann.
2/3 der Weltbevölkerung werden 2050 im urbanen Raum leben.
Hoch wie breit
Uns steht das Zeitalter der Megastädte bevor. 43 Metropolen werden im Jahr 2030 mehr als zehn Millionen Einwohner*innen haben und zwei Drittel der Weltbevölkerung werden 2050 im urbanen Raum leben. In Tokio wohnen heute schon mehr Menschen als in Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, Estland, Lettland und Litauen zusammen. Die zunehmende Konzentration in den Städten wird herausfordernd, bietet aber auch Chancen. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung und Bildung ist vereinfacht, die Urbanisierung erlaubt es, den ökologischen Einfluss der Menschen zu reduzieren und Infrastrukturen umweltfreundlicher zu gestalten. Doch wie ist es um die Biodiversität der Megacitys bestellt? «Tiny Forests», die Mini-Urwälder für die Stadt, sollen im Sommer das Stadtklima regulieren, Feinstaub binden und die Artenvielfalt stärken. Gezielt aufbereitete Böden und dicht angelegte Bäume und Pflanzen können bis zu zehnmal schneller wachsen als ein gewöhnlicher Wald. Auch Ideen für die Architektur der Zukunft reifen und strahlen grün. In Mailand soll der Gebäudekomplex Pirelli 39 künftig eine vertikale Grünfläche tragen, mit der CO2/O2-Bilanz eines 10’000 m2 grossen Waldes. Zudem sollen 2’770 m2 Fotovoltaik 65 Prozent des Energieverbrauchs des Gebäudes decken. In die Höhe pflanzen – Trick 17 der Smart Cities.
Während die Millennials heute tonangebend sind, wird das nächste Jahrzehnt von der Reifung der Generation Z geprägt sein. Diese Bevölkerungsgruppe im Alter zwischen 10 und 24 Jahren umfasst 1.9 Milliarden Menschen, die 25 % der Weltbevölkerung ausmachen. Die Unterschiede der Dynamik zwischen jugendlichen Ländern (Beschäftigung von jungen Menschen) und alternden Ländern (Verwaltung der Sozialkosten und Aufrechterhaltung des Lebensstils) werden grosse Wirkung auf Wirtschaft-, Handels – und Aussenpolitik erzeugen.
Gründe für Optimismus
- Die Pandemie hat uns die Machbarkeit von Transformationen vor Augen geführt
- Das Primat der Resilienz korrigiert zahlreiche Übertreibungen
- Die Wissenschaft hat an Akzeptanz gewonnen
Gründe für Pessimismus
- Anpassungen in globalen Lieferketten treffen kurzfristig die Ärmsten am stärksten
- Erst wenige Megacitys entsprechen in der Realität dem nachhaltigen Ideal
- Die Gleichberechtigung von Frauen ist noch lange nicht erreicht
Die Globalance-Sicht
Die Digitalisierung wird weiterhin unsere gesellschaftlichen Strukturen verändern. Diese Veränderungen erhöhen jedoch auch unsere Lernfähigkeit und eröffnen uns neue Möglichkeiten und Sichtweisen.