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Die massgeschneiderte Medizin
ERHALTEN WIR MEDIKAMENTE BALD PASSGENAU wie einen massgeschneiderten Anzug? Und falls ja: Bleiben sie ein Luxusgut oder werden sie für alle zugänglich? Klar ist: Die Sequenzierung des menschlichen Genoms führt gerade zu einem grundlegenden Umdenken in der Medizin.
Unsere Gene spielen oft eine entscheidende Rolle dabei, welche Krankheiten wir entwickeln und auf welche Therapien wir ansprechen. Mittels Genomsequenzierung — also einer Analyse unseres gesamten Erbguts — lässt sich das heute in Erfahrung bringen. Auf dieser Basis können passende, spezifische Medikamente entwickelt und Behandlungen individuell angepasst werden. Schon heute werden beispielsweise viele Krebsarten oder rein genetisch bedingte Krankheiten abhängig von ihrem molekularen Profil behandelt. Und bei HIV hilft ein Gentest, die verheerende Unverträglichkeit eines Wirkstoffs zu erkennen, der in der standardmässig eingesetzten Medikation enthalten ist.
Risiken für bestimmte Krankheiten können wir künftig lange vor ihrem Eintreten einschätzen.
Weg vom halben Krebs
Damit vollzieht unser Gesundheitssystem einen Paradigmenwechsel: Anstelle von oft schwierig zu interpretierenden Durchschnittswerten — wenn fünfzig Prozent der Bevölkerung Krebs haben, hat nicht jeder einen halben! — gewinnen Einzelschicksale an Bedeutung. Auch die Entwicklung sowie die Einstellung von Medikamenten kommen weg vom Trial-and-Error-Prinzip und bewegen sich hin zu einem systematischen Prozess.
Durch das Erkennen der individuellen Anlage gewinnt zudem Prävention an Bedeutung: Wir können unsere Risiken für bestimmte Krankheiten künftig viel früher einschätzen, als diese effektiv eintreten. Mit der zweischneidigen Konsequenz, dass wir uns vermutlich auch schon vor deren Ausbruch mit ihnen beschäftigen und Verantwortung für unseren Lebenswandel übernehmen müssen. Schliesslich spielen bei den meisten Krankheiten auch äussere Faktoren eine Rolle.
EU geht voran
Die europäischen Länder sind sich im Grundsatz einig, dass die Genomsequenzierung und insbesondere die etablierte schnellere Variante der Next Generation Sequencing (NGS) Zukunft haben. Deutschland hat bereits eine rechtliche Grundlage geschaffen, damit diese personalisierte, auf das individuelle Erbgut eines Menschen angepasste Medizin möglichst bald allen zur Verfügung steht. Im Januar 2024 startet ein fünfjähriges Modellvorhaben, das unter anderem den Aufbau von Versorgungsstrukturen, die Vernetzung genmedizinischer Institutionen und die Etablierung einheitlicher Standards zum Ziel hat. Die EU-Genom-Initiative «1+ Million Genomes» will derweil über eine Million Genome sequenzieren, um mehr Informationen über einzelne Erkrankungen zu erhalten. Die daraus resultierende europaweite Datenbank soll Krankheitsbilder schärfer zeichnen, als dies in einzelnen Regionen oder Ländern (mit entsprechend weniger Daten) möglich wäre.
Herausforderung Personal
Zu den Herausforderungen gehört zum einen die Datensicherheit. Es ist von zentraler Bedeutung, dass Arbeitgeber oder Versicherungen niemals Zugriff auf die Genomsequenzierung Einzelner erhalten und diese vor Missbrauch entsprechend geschützt ist. Zudem ist der Anspruch, dass die neue Methode für alle zugänglich werden soll, wie ihn Deutschland aktuell verfolgt, nicht einfach umsetzbar. Aktuell scheint die Gesamtanalyse für eine breite Öffentlichkeit noch zu teuer, weshalb öfter auf Teilsequenzierungen zurückgegriffen wird.
Besonders die Krankenkassen dürften sich auch sorgen, welche Kostenauswirkungen das Erkennen von mehr, häufiger seltenen Erkrankungen mit sich bringt. Unabhängig davon fehlen zum aktuellen Zeitpunkt aber schlicht Zeit und Personal, um die Genomsequenzierungen als Massengeschäft zu etablieren.
Der globale «Next Generation Sequencing»- Markt soll Schätzungen zufolge jährlich um über 20 Prozent wachsen.
Attraktive Investmentmöglichkeiten
Während die Technologie also schon recht ausgereift ist, steht die Methode an anderen Punkten noch an. In den kommenden Jahren dürfte sich in diesem Bereich einiges bewegen: Der globale NGS-Markt soll Schätzungen zufolge jährlich um über 20 Prozent auf rund 31 Milliarden US-Dollar im Jahr 2026 wachsen. Wichtige Player sind dabei unter anderen die amerikanischen Unternehmen Illumina, Thermo Fisher Scientific und Agilent Technologies sowie die Schweizer Roche-Gruppe. Auf die Unternehmen, die in der Genomsequenzierung Lösungen erarbeiten, lohnt sich ein näherer Blick. Sie haben das Potenzial, uns nachhaltig gesünder zu machen — was einen entsprechenden Wert entfalten dürfte.
Die personalisierte Medizin wird die Kosten im Gesundheitssystem vermutlich nicht massgeblich senken. Sie wird es aber effizienter machen und dessen Qualität steigern. Und damit dafür sorgen, dass wir letztlich mehr für unser Geld erhalten.
Die Globalance-Sicht
Die wichtigsten Anwendungsgebiete der personalisierten Medizin werden den Volkskrankheiten Krebs, Parkinson und Alzheimer zugeschrieben, was das Wachstumspotenzial dieser Technologie unterstreicht.
Die Erfolgsschlüssel finden sich nebst Bioanalytik und Genetik primär auch in der Digitalisierung und im Datenmanagement. Computergestütztes Wirkstoffdesign und digitale Frühdiagnostik erfordern grosse Rechenleistungen und produzieren enorme Datenmengen, die gespeichert, analysiert und vernetzt werden müssen. Damit eröffnen die rasanten Entwicklungen in der Biomedizin und der IT faszinierende Möglichkeiten für neue Behandlungsansätze — und attraktive Anlagechancen für Investorinnen und Investoren.
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