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Gleichberechtigung ist eine Frage der Nachhaltigkeit


Simona Scarpaleggia im Interview mit Aylin Aslan für Globalance

«Wir sind alle Teil des Problems, daher müssen wir alle Teil der Lösung sein.»

Sie sind eine starke Fürsprecherin der Gleichstellung und gleicher Entlohnung der Geschlechter. Wie viel kann und wird sich hier Ihrer
Meinung nach im nächsten Jahrzehnt ändern?

Wir müssen uns darüber im Klaren sein — es muss sich noch vieles ändern und das ist durchaus möglich. Gleichberechtigung ist eine Frage der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit und derzeit ist die Ungleichheit in der Welt enorm. Die Gesellschaft und Unternehmen können von immensen Verbesserungen in Bereichen wie Gesundheit, Bildung, BIP etc. profitieren, wenn sie sich auf die Beseitigung der geschlechterspezifischen Ungleichheiten und das Streben nach gleichem Lohn fokussieren.

Was kann jede*r Einzelne von uns tun, wenn Ungleichheit am Arbeitsplatz festgestellt wird?

Als Führungskräfte können wir uns engagieren und handeln. Es geht nicht nur darum, Erklärungen abzugeben — Taten sagen mehr als Worte. Verpflichten Sie sich, setzen Sie Ziele, messen Sie, was geschieht, und handeln Sie entsprechend. Wir können wachsam sein, uns zu diesen Themen äussern und sie verbreiten, um das Bewusstsein anderer zu wecken.

Welche Trends — in Wirtschaft und Gesellschaft — werden Ihrer Meinung nach im nächsten Jahrzehnt hochaktuell sein?

Es gibt drei Bereiche, die nach wie vor sehr wichtig sind. Die Digitalisierung, die unaufhaltsam voranschreitet. Ein sehr komplexes Thema — und wie wir damit umgehen, liegt an uns. Die Technologie ist ein fantastisches Werkzeug, aber wir müssen uns der Konsequenzen bewusst sein und den ethischen Aspekt immer im Auge behalten. Wir müssen sie so einsetzen, dass die Menschheit im Mittelpunkt des Ganzen steht. Der zweite Bereich ist die Klimakrise. Wir befassen uns erst sehr spät mit ihr, aber wir haben die Instrumente, um einzugreifen. Die Schwierigkeit ist, in welcher Geschwindigkeit die Krise voranschreitet. Das Potenzial, sie zu bewältigen, ist aber da, daher müssen wir uns ihr stellen. Drittens gibt es das komplexe Thema der Gleichberechtigung, welches mit den beiden anderen Themen verflochten ist. Es existiert nicht nur eine Kluft zwischen den Geschlechtern, sondern auch eine Einkommens-, eine Bildungskluft und vieles mehr.

Was sind Ihre Gedanken zum Thema «Dekarbonisierung»?

Wir sind alle Teil des Problems, daher müssen wir alle Teil der Lösung sein. Damit meine ich uns als Individuen, Bürgerinnen und Regierungen. Es ist eine gemeinsame Anstrengung und eine gemeinsame Verantwortung, aber jeder Einzelne kann aktiv werden. Die Kreislaufwirtschaft ist ein Trend und ich persönlich schätze sie sehr. Mobilität ist auch ein enormer Faktor, welcher zum Ziel der Dekarbonisierung beiträgt. Die Menschen können mehr mit der Bahn oder dem Fahrrad fahren, sich virtuell treffen, anstatt unzählige Kilometer um den Globus zu fliegen. Gerade in jüngster Zeit haben wir bewiesen, dass dies machbar ist.

Glauben Sie, dass wir unsere Kinder gut genug auf den Arbeitsmarkt und darauf, was dieser von ihnen verlangen wird, vorbereiten? Was sind — Ihrer Meinung nach — die Fähigkeiten der Zukunft?

Es gibt drei Fachgebiete, die immer wichtiger werden. Die digitalen Fähigkeiten: Wir als Individuen brauchen diese heutzutage alle und sollten keine Angst davor haben. Die meisten sind relativ leicht zu erwerben. Unternehmen müssen jedoch umdenken, um mithalten zu können. Der zweite Bereich ist die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten. Fähigkeiten wie vernetztes Denken, die Entwicklung von Logik und das Lösen von Problemen sollten verbessert werden. Wir müssen lernen, wie wir uns in der riesigen Informationsmenge, der wir täglich ausgesetzt sind, zurechtfinden. Drittens denke ich, dass Social Skills in der Zukunft extrem wichtig sein werden. Die Fähigkeit, zuzuhören, zu fühlen und Empathie auszudrücken, wurde im alten Bildungssystem etwas vernachlässigt. Wir müssen für individuelle Kreativität, Zweifel und Herausforderungen Platz schaffen — schliesslich waren diese der Motor für den Fortschritt der Menschheit.

Was ist Ihr ganz persönliches Ziel für das nächste Jahrzehnt?

Eines meiner Ziele habe ich bereits erreicht. Nach 40 Jahren in der Wirtschaft und 20 Jahren bei IKEA arbeite ich jetzt für ein Social- Tech-Unternehmen, das ein Beschleuniger der Gleichberechtigung ist. Ich möchte auch weiterhin junge Menschen betreuen, so, wie ich es bereits jetzt tue.


Simona Scarpaleggia

Simona Scarpaleggia ist eine Fürsprecherin der Gleichberechtigung der Geschlechter. Sie ist die ehemalige CEO von IKEA Schweiz, wo der Vorstand heute zu 50 Prozent aus Frauen besteht. Zudem ist sie Gründerin des Vereins «Advance — Women in Swiss Business» und weltweite Leiterin von «EDGE Strategy », einem Unternehmen, das andere Unternehmen auf dem Weg zur Gleichberechtigung unterstützt.